Fotoausstellung

Vertikal


SPUREN DER ZIVILISATION IN DEN SCHWEIZER BERGEN

Wir haben Spuren hinterlassen in den Alpen – und das nicht nur im Schnee. Errungenschaften wie Staumauern, Passstrassen oder Lawinenverbauungen sind von weit her sichtbar. Aus der Luft betrachtet offenbart sich in den Bergen ein eindrückliches Netz, das wir mit der Zeit gesponnen haben. Neben monumentalen Werken gibt es auch feine, subtile Strukturen. Wie wir gelernt haben in den Bergen zu leben, hat der Fotograf Alessandro Della Bella zusammen mit den Piloten Ruedi Homberger und Sales Wick aus dem Flugzeug erkundet.

Im Schatten der majestätischen Grande Dixence windet sich eine Strasse durch den verschneiten Wald steil und eng das Tal hinauf. Wie die letzten Spaghetti im Teller wirkt auch die Tremola am Gotthard von oben. Aus luftiger Höhe sind formal kompakte, detailreiche Bilder entstanden. Abstrakte, schwindelerregende Linien und Strukturen dominieren das visuelle Erlebnis – der Himmel bleibt dem Auge verborgen. Wer genau hinschaut, entdeckt Wanderer in kargen Felslandschaften oder kühne Wildheuer an steilen Hängen.

Die Arbeit «Vertikal» ist eine Momentaufnahme, wie ein Spiegel am Himmel. Sie ist auch eine Bestandesaufnahme für zukünftige Vergleiche. Der Blick von oben erinnert uns daran, wie wir die Natur geformt haben und wie sie uns prägt.

Diese Bilder wären ohne die fliegerische Meisterleistung zweier Piloten undenkbar. Genauso abenteuerlich wie die Besiedelung der Alpen waren die Fotoflüge, die deren Früchte zeigen. Die alpine Fliegerei ist selbst an sonnigen Tagen eine Herausforderung. In einem kleinen Flugzeug haben wir enge Kurven gezogen, den Wind und das Wetter hautnah gespürt. Sicher und geschickt manövrierten die Piloten über Berg und Tal. Zwischendurch schien das Flugzeug fast senkrecht im Himmel zu stehen. Gemeinsam entdeckten wir Motive, die auf keiner Karte verzeichnet sind. Und wir staunten – immer wieder.

Heute überbrücken wir die Alpen im Schnellzug von Zürich nach Lugano in zwei Stunden. Doch hinter dieser Reise steckt ein langer und beschwerlicher Weg, der einst auf einfachen Saumpfaden begann. Einige Routen waren so gefährlich, dass die schlauen Urner beim Bau einer Brücke über die Schöllenenschlucht der Legende nach sogar die Hilfe des Teufels in Anspruch nahmen. Nach Fertigstellung tricksten sie den Teufel aus, indem sie ihm als erste Seele einen Ziegenbock über die Brücke schickten. Diese Brücke steht noch heute, ebenso wie die Serpentinen am Septimerpass, die bereits von den Römern erklommen wurden.

Mit der Zeit hat sich der Mensch stets weiter in die Berglandschaft vorgewagt, Wege erschaffen, das Land bewirtschaftet. Im Sommer weiden Kühe und Schafe bis hoch über der Baumgrenze, und durch Wasserkraft gewinnen wir elektrischen Strom. Der Grimsel-Stausee war 1949 auf einer Briefmarke abgebildet; heute bauen wir dort eine höhere Staumauer. Mit Pioniergeist und moderner Technik entstanden tollkühne Projekte wie die Zahnradbahn durch den Eiger auf das 3.454m hohe Jungfraujoch, wo ein Observatorium auf der Spitze der Sphinx thront. Weit oben stehen auch unzählige SAC-Hütten, wo man geschützt die letzte Nacht vor einer Gipfelbesteigung verbringen kann. Einen Teil der Berge hat das Wasser mit der Zeit in fruchtbare Ebenen geschwemmt, wo wir heute Landwirtschaft betreiben oder Golf spielen.

In jüngerer Zeit tragen Solarzellen auf Staumauern wie Muttsee und Albigna sowie schwimmende Solarinseln auf dem Lac des Toules zur nachhaltigen Energiegewinnung bei. Grosse Projekte sind in Planung. Windräder drehen sich am Gotthard, Nufenen, im Jura und in Andermatt. Gletscher geben Flugzeugwracks frei, während riesige weisse Planen an anderen Stellen das Abschmelzen des Eises verlangsamen sollen. Höhere Temperaturen verursachen mehr Erdrutsche und Waldbrände. Das Antlitz der Berge wird sich auch in Zukunft weiter wandeln.

Ruedi Homberger ist 2020 bei einem Unglück ums Leben gekommen. Mit der Veröffentlichung dieser Arbeit gedenken wir dem legendären «Hombi», dessen Schaffen bis heute wirkt.

Wo:

Photobastei
Sihlquai 125
CH-8005 Zürich

Wann:

26.10.23 – 05.11.23, 3. Stock
Vernissage 26.10. um 18 Uhr

Die Zürcher Badis aus dem Helikopter fotografiert

Ein Platz an der Sonne